Freitag, 22. Februar 2013

Snow & Ice: Arvidsjaur

Gerade erst ist unser Snow & Ice Kurs so richtig in Fahrt gekommen, schon steht auch das absolute Highlight des gesamten Kurses an: Der Ausflug zu der Swedish Armed Forces Unit for Cold Weather Operations in Arvidsjaur!


Tag 1:
Sonntagmorgen um 7:00 gings von der Uni aus los, d.h. um 5:00 aufstehen. Puh! Während der Fahrt wachbleiben war echt hart - trotz eines wunderschönen Sonnenaufganges-, aber Gott sei Dank haben uns die Rentiere, die ständig auf der Fahrbahn auftauchten, im Großen und Ganzen immer wieder aufgeweckt. Unsere ersten (lebendigen) Rentiere!







Dann endlich, nach zwei Stunden kommen wir in Arvidsjaur am Militärstützpunkt an. Nach einer kurzen sehr militärisch trockenen Begrüßung und einer Diashow über Arvidsjaur und den Militärstützpunkt gings dann auch schon los mit der Equipmentausgabe. Im Grunde haben wir das gesamte Equipments ausgeborgt bekommen: 2 Paar Wollsocken, 2 Paar Stutzen, Militärstiefel + Schneeüberzug, sexy lange Unterwäsche, Fleecezipper, 2 Paar Wollfäustlinge + Lederfäustlinge, Wollsturmhaube, Winterjacke + -hose, Tarngewand, Rucksack, Tasche, Isomatte, Schlafsack, Thermoskanne, Wasserflasche, Feldbesteck, Trinkschüssel, Schloss für den Spint. Das Einzige was wir von zuhause selber mitnehmen mussten waren Unterwäsche, eine Thermohose und Toilettesachen. Echt praktisch!
Nach der Ausgabe gabs noch eine kurze "Einführungsvorlesung" über Gewand und Stoffe und dann wars auch schon wieder 11:30, was so viel bedeutet wie "Futter gibts". D.h. es ging kurz in unsere Zimmer Equipment loswerden und ab zum Mittagessen. 
Am Nachmittag begann dann der eigentliche Spaß: D.h. erstmals in unsere neuen Klamotten schlüpfen und ab in den Wald - für die Burschen mit dem Bus, für die Mädels mit dem Kettenfahrzeug. We girls like "girls only"!
Und dann ging die Schaufelei auch schon fast los; vorher aber noch kurz einen Gruppenführer für das "Team Österreich" (Steffi, Thomas, Christian (Südtirol), Julian (Niederbayern)) finden - bei uns wurde es Steffi. D.h. ab in den 1m tiefen Schnee und losschaufeln. Nach ca. 2 Stunden war unser Haufen 2m hoch und hatte einen Durchmesser von ca. 5m - passt! Also wieder ab ins Militärcamp und zur nächsten Mahlzeit!

Der Vortrag am Abend war echt interessant. Im Zentrum stand der Mensch in der Kälte; also im Grunde theoretisches Survivaltraining. Um zu überleben, egal in welchen Bedingungen, muss die Körpertemperatur natürlich immer passen. Die höchste Temperatur die ein Mensch jemals überlebt hat, waren 44°C, aber normalerweise stirbt man schon früher. Der Grund dafür ist, dass das Blut zum Stocken anfängt und die Blutgefäße verstopft. Bei Unterkühlungen hingegen gibt es jedoch keine chemische Reaktion im Körper, die das Überleben verhindern könnte. Daher kann man nicht wirklich sagen, ab wann man stirbt oder unwiderrufliche Schäden davonträgt. Irgendwo hier in der Nähe hat eine Ärztin z.B. eine Körperkerntemperatur von ca. 13°C fast komplett schadlos überlebt. Nur ihre Feinmotorik in den Händen erlitt Schäden und sie konnte somit keine Chirurgin mehr bleiben, aber zum Vergleich was passieren könnte, ist das natürlich gar nichts. Daher hat uns Mayor Tony immer wieder folgenden Satz wiederholen lassen: "Nobody is dead until he is warm and dead!" Also auf gut deutsch: Keiner ist tot, solange er nicht warm und tot ist.
Wie aber überlebt man in extremer Kälte ohne, dass man dauerhafte Schäden davonträgt wie z.B. Frostbeulen? Mit Abstand der wichtigste Faktor ist das Vermeiden von Feuchtigkeit am Körper. Das aber ist nicht ganz einfach, da man im Winter bei gleicher Betätigung genauso viel schwitzt wie im Sommer. Aber wie verhindert man, dass das Gewand nass wird? Das einfachste ist, dass man die Jacke auszieht, den Kragen öffnet, usw. Mayor Tony hat hier immer gesagt: "You have to think for your clothes, your clothes can't think for you!" (Du musst für dein Gewand denken, nicht dein Gewand für dich.) Eine anderer wichtiger Punkt ist die Wahl des richtigen Stoffes. Wolle ist z.B. ein guter Isolator, weil die Fasern an sich zu ca. 85% aus Luft bestehen. Weiters kann sie 1/3 ihres Gewichtes an Feuchtigkeit aufnehmen bevor sie sich feucht anfühlt. Bei Baumwolle passiert das schon wesentlich früher. Diese ist daher nur schlecht für kalte Bedingungen geeignet. Aber Wolle allein reicht nicht, damit einem nicht kalt wird, da auch diese nass werden kann. Daher ist eine Schicht an "Plastik" unabdinglich um die Nässe immer von den wärmenden Gewandschichten fernzuhalten.
Socken und Fäustlinge wechseln gehört zu den wichtigsten Dingen, die man immer machen muss, wenn man längere Zeit draußen ist. Der Grund ist wieder, dass man ständig schwitzt und man ja keine Frostbeulen bekommen will. D.h. 2 mal täglich Socken und Fäustlinge wechseln! Was ansonsten alles so passieren kann, will man nämlich nicht sehen!
Wenn man jedoch einmal erste Anzeichen von Frostbeulen sieht, also weiße Flecken an Nase, Ohren, Händen oder Füßen, dann ist die Gefahr von Frostbeulen schon sehr hoch und es hilft nur noch eines: Aufwärmen und zwar so schnell wie möglich. Das funktioniert am besten mit direktem Hautkontakt.
Was viele Leute immer vergessen ist, dass unser Körper auch nur ein Motor ist. Dass man gerade bei extremen Temperaturen viel Essen muss, das vergisst kaum jemand, aber sie übersehen immer, dass man viel Tierisches essen soll, weil es mehr Fett enthält, das gegen die Kälte besser schützt als Kohlenhydrate. In der Kälte vergessen aber sehr viele Leute, dass man extreme Feuchtigkeitsverluste hat (durch Schweiß, Atem,..). Viel Trinken ist also mehr als essenziell!

Apropos Essen, nach dem Vortrag um 20:00 ist ja schon wieder Essenzeit! Also wieder ab zum Essen...

Tag 2: 
Am Montag morgen mussten wir dann viel zu bald aufstehen, da es um 7:00 ja schon das Frühstück gab und um 8:00 gings dann auch schon wieder in den Wald zu unseren gebuddelten Schneehaufen. Aber diesmal begleitete uns nicht Mayor Tony sondern ein anderer Militär. Er zeigte uns nicht nur ein paar Haut zu Haut Fußwärmübungen, die wir auch gleich ausprobieren mussten, sondern auch, wie man in Schweden mit nichts außer einem Wald ein Feuer machen kann. Sehr cool!
Danach gings aber endlich zu unserem lange erwarteten Hausbau, unserem zukünftigen Quinzhee. Da das Quinzhee ja auf einem ausgehöhlten Schneehaufen basiert, mussten wir erst einmal massig Äste von Bäumen reißen (das geht im Winter übrigens echt einfach) um diese in regelmäßigen Abständen ca. 30cm tief in unseren Schneehaufen zu stecken. Der Sinn liegt darin, dass man weiß, wann man beim Aushöhlen aufhören muss. Man sieht das nämlich von innen nicht wirklich. Und dann gings endlich ans Aushöhlen! Das wichtigste was man bei dieser Art des Häuschenbaus wissen muss, ist, dass die Schlafebene höher liegen muss als der Eingang. Das macht man übrigens genauso bei Iglus (siehe Bild). Die Idee dahinter ist, dass die wärmere Luft immer aufsteigt und sich im oberen Teil des Quinzhees sammelt, während die kalte Luft unten beim Eingang bleibt. D.h. man gräbt ein T als Eingangsbereich und danach eine Terrasse, die höher liegt als der Eingang.


Julian, unser Schaufelmeister!


Unser fertiges Quinzhee!
Dass der Bau einen Quinzhees nicht nur körperlich anstrengend, sondern auch gefährlich sein kann, haben wir am eigenen Leib erlebt. Während wir beide am Klo waren, ist eines der anderen Quinzhees mit einem Tschechen (Adam) drinnen kollabiert. Da muss es einen ganz schönen Rumps gemacht haben! Wenn sich Schnee setzt, kann der m^3 leicht einmal 500kg wiegen. Es ist also nicht verwunderlich, dass Adam die Luft aus dem Körper gepresst worden ist. Glücklicherweise waren seine Teammitglieder gleich zur Stelle und haben ihn ausgegraben bevor schlimmeres passiert. Mayor Tony war über diesen Vorfall übrigens sehr überrascht. Vermutlich hat er uns auch deswegen nicht über mögliche Szenarios aufgeklärt. Dieses Quinzhee war das erste in seiner gesamten Militärlaufbahn, das überhaupt (ohne Tauwetter) kollabiert ist. Und er hat schon über 500 Quinzhees gesehen. Lag wahrscheinlich an dem Team und ihrem Konstruktionsfehler...

Damit uns nach der ganzen Schaufelei auch ja nicht langweilig wird, mussten wir nach der Fertigstellung auch noch einen Aufgabenzettel an Schneetemperatur, -härte, usw. Messungen machen.

Dann war der Tag auch schon fast vorbei: Alle haben sich um die beiden Lagerfeuer versammelt und es gab ein ganz tolles Rentiergericht (mit ganz viel Rentier und wenig anderem), das uns aber nicht ganz so zugesagt hat. Rentier schmeckt halt schon eigen. 


Mayor Tony hat uns dann auch irgendwann verlassen, dann ist das Holz ausgegangen, also haben sich alle langsam in ihre Quinzhees zurückgezogen. Um 9:00 ist es ja auch schon lange dunkel.
In so einem Quinzhee ist es übrigens recht warm mit ca. 0°C. Draußen hatte es in der Nacht vermutlich so um die -15°C. Das Schlafen selbst war eigentlich nicht so schlecht, wenn einem kalt wird, kann man sich ja gut zusammenkuscheln. Das haben wir beide auch gemacht. Was uns eher zu schaffen gemacht hat, ist, dass es beim Eingang schon ein bisschen kalt reingeht und, dass der Schnee verdammt hart ist. D.h. mit einem Muskelkater auf Schnee schlafen ist nicht angenehm. Genauso sollte man schauen, dass die Schlafterrasse wirklich gerade ist, weil man schon bei einem ganz geringen Gefälle in der Gegend herumrutscht!
Wichtig ist jedoch, dass man so nackt wie möglich in den Schlafsack schlüpft um einen möglichst großen Luftpolster um den Körper versammeln zu können. D.h. in unserem Fall waren das Socken, die lange Unterwäsche und vielleicht noch der Fleecezipper. Es ist übrigens auch zu empfehlen, dass man eine Haube aufsetzt, weil man sonst recht leicht Kopfweh bekommen kann. 




Tag 3:
Am nächsten Morgen gabs dann wieder Frühstück um 7:00. Weil wir natürlich alle Faulsäcke sind, haben wir den Wecker auch gar nicht vor 6:30 gestellt. Leider Gottes braucht man ziemlich lange um sich wieder komplett anzuziehen (vor allem können das alle platztechnisch schon nicht auf einmal machen) und das komplette Equipment zusammenzupacken (0°C warme Isomatten lassen sich absolut schlecht einrollen!). D.h. irgendwie hat es jeder geschafft zu spät zu kommen, aber gut, dass wir Zivilisten sind! Danach wurden auch wir wieder alle zusammengepackt, sprich zurück zum Basislager.
Am Militärstützpunkt ist dann eigentlich nicht mehr viel passiert. Wir durften uns zuerst einmal duschen, unsere Sachen zusammenpacken und das gesamte nasse Equipment trocknen. Danach gabs eine Equipmentdurchsicht, die natürlich ewig gedauert hat. Irgendwann wurden wir dann auch endlich das Equipment wieder los, wobei wir etwas über die Stiefel + Überzüge getrauert haben. Die waren toll und hätten wir gerne behalten, auch gegen Aufpreis. Natürlich bekamen wir dann wieder ein deftiges Mittagessen, es gab noch eine Evaluierung bzw. Feedbackrunde mit Mayor Tony und dann gings auch schon wieder zurück nach Luleå.

Fazit:
Nach diesem Wochenende sind wir nicht nur vollgefressen, uns hängt Fleisch auch echt schon bei den Ohren raus! D.h. wir gehen gerade wieder in unsere Grünzeug-Fisch-Phase über.
Im Großen und Ganzen war der Ausflug eigentlich echt lustig, wenn auch etwas anstrengend. So ziemlich jeder ist mit einem Muskelkater wieder nach Hause gekommen.
Das Überlebenstraining selbst war sehr interessant und wir haben viel Neues dazugelernt. Besonders: "Nobody is dead until he is warm and dead!" & "You have to think for your clothes, your clothes can't think for you!"
Die Nacht im Freien war eigentlich ganz angenehm, bis auf das Schlafen auf einem harten Untergrund mit einem Muskelkater. Wir hatten ja ziemliches Glück, dass es während des ganzen Ausflugs warm war. Als wir wieder heimgekommen sind, hatte es in Arvidsjaur auf einmal wieder -25°C unter tags. 
Angenehm war auch, dass wir nicht wie Möchtegernmilitärs sondern Zivilisten in einem Armeestützpunkt behandelt worden sind. Da merkt man schon, dass sich das schwedische Heer sehr bemüht. D.h. es war nett einmal Soldat zu spielen!

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